Am letzten Ceresio Investors Forum1 hat sich ein halbes Dutzend Hedge Fund Global Macro und Equity Long/Short Manager zu ihren Märkten geäussert. Was denkt das „Smart Money“ über die aktuelle Situation in den USA und in Asien und wo sieht es Chancen? Dass sich solche Investoren zu Wort melden, hat Seltenheitswert. Wir wünschen Ihnen deshalb eine spannende Lektüre!
Das aktuelle makroökonomische Umfeld ist in mehrfacher Hinsicht widersprüchlich – wir leben in einer merkwürdigen Zeit. Auf der einen Seite wird die Welt durch Konflikte und geopolitische Spannungen immer gefährlicher und unsicherer und die Zentralbanken haben die Leitzinsen erhöht, um die Inflation zu bekämpfen. Auf der anderen Seite bleiben die Finanzmärkte erstaunlich ruhig, die Wirtschaft wächst weiter, vor allem in den USA (weniger in Europa und China), die Gewinne sind stabil und die Multiples steigen weiter.
In den USA hat das Nominalvermögen in den letzten vier Jahren massiv zugenommen. Das Ausmass ist beispiellos: In den USA ist das BIP in den letzten vier Jahren um 6 Milliarden USD auf das 1.5-Fache des japanischen BIP gewachsen. Das Vermögen der amerikanischen Privathaushalte stieg um 50% auf 50 Milliarden USD (von 100 Mrd. vor der Krise auf 150 Mrd. heute)!
Ausgelöst wurde diese Situation durch eine Kombination aus massiven geldpolitischen Stimulierungsmassnahmen (die Fed druckte 5 Milliarden USD) und massiven Steuererleichterungen. Die Auswirkungen auf die Vermögenspreise sind erheblich und hätten in jedem Schwellenland zu einer Währungskrise geführt. Der US-Dollar bleibt stark und die Leistungsbilanz (–2.9% des BIP) ist nicht explodiert. Hauptgrund dafür ist die Schieferöl- und Schiefergasrevolution. In den letzten zwanzig Jahren seit dem Durchbruch des Frackings haben die USA ihre Kohlenwasserstoffproduktion in Öläquivalent (sowohl Flüssiggas als auch Erdöl) um rund 20 Millionen Barrel pro Tag gesteigert. Das entspricht der doppelten Produktion von Saudi-Arabien! Das allein erklärt schon die starke Zahlungsbilanz der USA. Heute sind sie der grösste LNG-Exporteur der Welt.
Der Wirtschaftsboom in den USA schiebt die Weltkonjunktur an. Der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe hat erstmals seit 2022 fester notiert und die monatlichen Beschäftigungszahlen zeigen, dass wieder mehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Stromnachfrage in den USA, die in den 15 Jahren vor der Krise unverändert geblieben war, nimmt zu (+1%) und dürfte sich bis 2030 beschleunigen (+3.5% pro Jahr). Kupfer ist einer der grössten indirekten Nutzniesser dieses weltweiten Nachfragewachstums. Ein Drittel davon ist auf die Energiewende, die Elektrifizierung und die künstliche Intelligenz zurückzuführen, die alle deutlich weniger preissensibel sind. Das Wachstum wird nicht mehr wie früher allein von der chinesischen Nachfrage getrieben, sondern von einer Vielzahl von Faktoren. Angebot und Nachfrage driften weiter auseinander, die Kluft kann nur durch Preiserhöhungen geschlossen werden. Entgegen den Ankündigungen wurden bisher nur wenige neue Kapazitäten gebaut und die Lagerbestände befinden sich auf einem 10-Jahres-Tief. Amerikanisches Erdgas wird zum Wachstumssektor, da die Stromproduktion und die Exporte zu einem Nachfrageüberhang führen. Diese Entwicklung wird sich auf ein breites Spektrum an Industriezweigen positiv auswirken.
In diesem Kontext werden höchstwahrscheinlich sowohl die Zinsen als auch die Inflationsraten höher sein als in den letzten zehn Jahren. Andernfalls wird die Disinflation Achterbahn fahren.
Die Wirtschaft passt sich offensichtlich viel besser an das Hochzinsumfeld an als erwartet. Nach den jüngsten Kommentaren der US-Währungshüter zu schliessen, wird die Geldpolitik doch nicht so restriktiv sein, wie ursprünglich geplant und die Fed daher nicht in der Lage sein wird, die Leitzinsen schon in diesem Jahr zu senken.
In den nächsten Jahren wird eine Reihe von Faktoren die Zinsen nach oben treiben, insbesondere die steigende Nachfrage nach Investitionen in die die Energiewende und in KI.
Was die Faktoren auf der Risikoseite der Gleichung betrifft, so wechseln wir vom Zeitalter der Effizienz ins Zeitalter der Sicherheit. Das neue Sicherheitsbedürfnis zeigt sich beim Klima, der Deglobalisierung, dem „Re-Shoring“ von Lieferketten, der Verteidigung, dem Wohnungsbau und den Ungleichheiten im Inland, die sich durch den zunehmend protektionistischen Diskurs populistischer Politiker und die Beschränkung der unerwünschten Einwanderung verschärfen könnten. Auch nach der jüngsten China-Reise von US-Aussenministerin Janet Yellen blieben die Fronten zwischen den beiden Ländern verhärtet. Eine Annäherung fand nicht statt. Für die USA endete das Treffen mit der Erkenntnis, dass sie ihre Industrie schützen müssen.
Das Streben nach mehr geopolitischer und wirtschaftlicher Sicherheit spiegelts ich auch im Goldpreis wider, der auf immer neue Höchststände klettert.
Die USA sehen sich heute mit akuten Haushaltsrisiken konfrontiert. Mit der Alterung der Bevölkerung werden gesetzliche (aber nicht in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erfasste) Verpflichtungen wie Renten- und Pflegeansprüche fällig. Das Haushaltsdefizit von 6.3% könnte auf 9% ansteigen, selbst wenn einige Modelle davon ausgehen, dass in den nächsten zehn Jahren keine Rezession zu erwarten ist. Die Terminprämie ist daher momentan zu niedrig und die langfristigen Renditen 10-jähriger US-Treasuries könnten um rund 130 Basispunkte steigen. Mit anderen Worten: Wenn die Investitionen zunehmen, werden in der Regel auch mehr Staats- und Unternehmensanleihen emittiert und das grössere Angebot führt zu höheren Renditen und einer steileren Zinsstrukturkurve.
Wenn Aktien und Obligationen schwach oder negativ korreliert sind, entsteht eine unüblich hohe Nachfrage nach Obligationen. Diese Dynamik kann sich ändern und das Umfeld für die Asset Allocation grundlegend verändern.
Die Situation in China ist angesichts der Grösse und Komplexität des Landes differenziert.
Sie wird sowohl von konjunkturellen Faktoren (Wunsch, frühere Kreditexzesse zu korrigieren, Verzerrungen im Immobiliensektor) als auch von strukturellen Faktoren (geteilter Wohlstand, Korruptionsbekämpfung, ökologische Nachhaltigkeit usw.) beeinflusst. Es muss damit gerechnet werden, dass die Zentralregierung künftig stärker eingreift – auch im Finanzsektor – und dass sowohl die KMU als auch die Lokalregierungen an Macht verlieren.
Obwohl die Regierung eine Reihe von Massnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft ergriffen ha, bleiben die Konsumnachfrage und die allgemeine Stimmung relativ schwach, was grösstenteils auf die anhaltende Deflation im Immobiliensektor zurückzuführen ist.
Der Immobiliensektor profitierte jahrelang von annualisierten Renditen in der Grössenordnung von 25%. Die durchschnittliche Quadratmeterzahl pro Person hat sich verdreifacht. Ein solches Wachstum ist nicht nachhaltig. Die Anpassung ist im Gang, hat ihren Höhepunkt aber noch nicht erreicht. Allmählich wird weniger gebaut. In der Regel tritt die Korrektur mit einer Verzögerung von zwei Jahren nach dem Preisgipfel ein. Nach der Umstrukturierung wird sich die Industrie strukturell stark verändert präsentieren und in der chinesischen Wirtschaft an Bedeutung verlieren. Der fiskalischen Situation der Lokalregierungen machte die Verlangsamung der Immobilienaktivität stark zu schaffen. Rund ein Drittel der 120 Milliarden RMB wird auf die eine oder andere Weise umstrukturiert werden. Lokal ist mit Insolvenzen zu rechnen, diese stellen aber kein systemisches Risiko dar.
Gleichzeitig wachsen die Exporte kräftig weiter, da das Land seine überschüssigen Produktionskapazitäten nutzt, um seine globale Führungsposition in einer Vielzahl von Sektoren, einschliesslich Elektrofahrzeuge und saubere Energie, auszubauen. Dabei kommt ihnen der schnellere Innovationszyklus und eine zunehmende globale Wettbewerbsfähigkeit zugute. Chinesische Unternehmen sind vielleicht nicht die ersten, die handeln, aber sie handeln schnell. Sie globalisieren sich mit wachsenden adressierbaren Märkten in Bereichen wie dem verarbeitenden Gewerbe, der Pharmaindustrie und der KI-Lieferkette.
Ob China auch in Zukunft so stark auf seine Exporte stützen kann, ist allerdings trotz seiner industriellen Effizienz nicht garantiert. Bei den wichtigsten westlichen Handelspartnern regt sich bereits Widerstand. China muss offen und bereit bleiben, mit seinen globalen Partnern Vereinbarungen zu treffen. Die politischen Reaktionen werden vernünftig und moderat ausfallen. Trotzdem bleibt das geopolitische Risiko insbesondere wegen der US-Wahlen in diesem Jahr, hoch.
Es ist davon auszugehen, dass die Konjunkturverlangsamung anhält, der Schuldenabbau fortgesetzt wird und die Inflation nachlässt. Da die chinesische Binnenwirtschaft über weniger Auftriebskräfte verfügt als früher, dürfte sie weniger stark wachsen als in der Vergangenheit. Es wird daher vor allem von der (bisher unzureichenden) Haushaltspolitik abhängen, ob verhindert werden kann, dass die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale gerät.
Vor diesem Hintergrund ist der chinesische Aktienmarkt weiterhin durch ein gegensätzliches Alpha- und Beta-Verhalten gekennzeichnet. Die Bewertungen zahlreicher Unternehmen, insbesondere im Internetsektor, sind angesichts ihres robusten Geschäftsgangs nach wie vor attraktiv. Viele Unternehmen nutzen die Offshore-Mittel, die sie bei ihrem Börsengang aufgenommen haben, um Rückkäufe zu finanzieren und/oder die Dividenden zu erhöhen.
Im Gegensatz zu China gehörte Japan in Lokalwährung zu den weltweit performancestärksten Märkten. Allerdings wurde das Wachstum von noch weniger Aktien getragen als in den USA: Die Zuflüsse waren weitgehend passiv und die vier grössten Nikkei-Titel machen 27% des Index aus. Für aktive Vermögensverwalter war es unter diesen Umständen schwierig, mit dem Rhythmus Schritt zu halten, obwohl der Markt insgesamt weiterhin viele Chancen bietet. Immer mehr Unternehmen ordnen ihr Management neu und zwingen die historisch lethargischen Managementteams, sich vermehrt auf die Aktienrendite zu konzentrieren. Mehrere bekannte Unternehmen haben sich bereits von ihren geerbten Überkreuzbeteiligungen getrennt. Ein weiterer wichtiger struktureller Treiber sind ausländische Direktinvestitionen, denn Japan gehört zu den Hauptnutzniessern des „Friend-Shoring“-Trends und der Fragmentierung der Lieferketten ausserhalb Chinas.
Die Regierung spielt mit ihrem grosszügigen Subventionsprogramm eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung. Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. erhielt von der US-Regierung einen Zuschuss von 20% für den Bau seiner Fabrik in Arizona, während die japanische Regierung 50% für den Bau seiner Fabriken in Hokkaido beisteuerte. Natürlich ist die Party irgendwann vorbei. Wie in zyklischen Industrien üblich, entstehen derzeit Überkapazitäten, die sich letztlich deflationär auf die weniger wichtigen Glieder der technologisch-industriellen Lieferkette auswirken werden. Auch Südkorea und Taiwan profitieren von Chinas Verlagerung der High-End-Produktion. Ihnen dürften sich zunehmende Chancen eröffnen.
Der indische Markt ist im Vergleich zu seinen asiatischen Nachbarn immer noch überbewertet, wenn im Vergleich zu seinen eigenen historischen Bandbreiten auch nicht signifikant. Es gibt Aktiensegmente, in denen die Kurse die Fundamentaldaten deutlich übertroffen haben, insbesondere bei einigen Small- und Mid-Cap-Unternehmen sowie bei Staatsunternehmen. Dennoch gibt es nach wie vor viele börsennotierte Unternehmen mit soliden Wachstumsmotoren, die dank des laufenden Übergangs vom unregulierten zum regulierten Sektor und der Verbesserung ihrer Rentabilität ein starkes Umsatzwachstum verzeichnen. Bei der Integration bzw. Übernahme von fortschrittlicher Technologie in Grossprojekten legt die Regierung eine überdurchschnittliche Dynamik an den Tag. Jüngstes Beispiel ist die „Online-Plattform für den digitalen Handel“, auch wenn noch nicht absehbar ist, in welchem Umfang sie tatsächlich genutzt wird.
Vor der quantitativen Lockerung der Zentralbanken (1996–2009), als die Leitzinsen der Fed im Durchschnitt bei über 3.5% lagen, generierten die aktive Verwaltung ein beträchtliches Alpha. Diese Phase scheint vorbei, das Zinsumfeld hat sich normalisiert.
Ein Umfeld mit höheren Zinsen führt zu einer grösseren Streuung zwischen guten Unternehmen, die in der Lage sind, die Inflation mit solideren Bilanzen und besseren relativen Kapitalkosten auszugleichen, und schlechten Unternehmen, die sich weniger gut finanzieren können und neues Geld zu ungünstigeren Bedingungen aufnehmen müssen.
Die Aktien im S&P 500 sind so gering korreliert wie seit 20 Jahren nicht mehr. Für das aktive Aktienmanagement (sowohl Equity Long/Short als auch Long Only) sind dies ideale Voraussetzungen, um Alpha zu generieren.
Nachdem das Finanzsystem durch die Anleihenkäufe lange stabil geblieben ist, dadurch aber geschwächt wurde, könnte die Makroökonomie jetzt von der Normalisierung der Politik profitieren. Der aktuelle Trend zur Deglobalisierung und die Divergenz der geldpolitischen Zyklen könnten die Währungs- und Zinsvolatilität erhöhen und so Chancen für Makro-Manager eröffnen, die unkorrelierte risikoadjustierte Renditen erzielen könnten.
Auch in Asien scheinen sich aktive Vermögensverwalter im Allgemeinen gut an die wechselnden Kräfte in der Region angepasst zu haben. Die meisten sind nach wie vor sehr flexibel und opportunistisch und halten ihr Engagement in China angesichts der aktuellen Herausforderungen gering. Ein Teil dieses Kapital ist nach Japan, ein anderer in den amerikanischen Technologiesektor geflossen. Viele von ihnen nutzen weiterhin Wissen ihrer lokalen Research-Teams, um Chancen in Sektoren von globalem Interesse wie Technologie, Automobil und Luxusgüter zu identifizieren. Im Allgemeinen haben sie durch ihre Titelauswahl ein signifikantes Alpha gegenüber dem Gesamtmarkt generiert.
Die Banca del Ceresio ist der delegierte Verwalter der Anlagegruppe PRISMA Alternative Multi-Manager. Sie verwaltet seit über 50 Jahren erfolgreich alternative Anlagen ↩︎