Sie haben Recht, die globalen Immobilienaktien sind seit Jahresbeginn um mehr als 30% gefallen. Erst einmal brachen Aktien auf Jahressicht noch stärker ein, nämlich während der Weltfinanzkrise im Jahr 2008, als sie um 47% tauchten. Börsennotierte Immobilienaktien haben auf das zunehmend unsichere Umfeld reagiert. Hinzu kam, dass sich die Finanzierungsbedingungen massiv verschlechterten, die Swapsätze stiegen und sich die Credit Spreads ausweiteten. Angesichts des drohenden globalen Wirtschaftsabschwungs wurde es in vielen Immobiliensektoren immer schwieriger, die Mieteinnahmen zu garantieren.
Der Direktimmobilienmarkt hat nach einem allgemein starken Anstieg während fast der gesamten letzten zehn Jahre ganz klar eine Blase erlebt. Für Anleger warfen die Immobilien angesichts der tiefen Zinsen und Finanzierungskosten interessante Renditen ab. Das hat sich geändert. Für Käufer mit hohem Fremdkapitalanteil, die zur Erreichung ihrer Zielrendite Schulden machen müssen, sind die Immobilienrenditen nicht mehr attraktiv. Darüber hinaus steht vielen aktienorientierten Anlegern nun ein breiteres Spektrum an Anlagemöglichkeiten zur Verfügung, einschliesslich Schulden und Kredite, zur Erreichung ihrer Renditeziele.
Während der Direktimmobilienmarkt Zeit braucht, um sich an die steigenden Finanzierungskosten anzupassen, haben börsennotierte Immobiliengesellschaften bereits reagiert. Aktien werden gegenüber früheren Vermögenswerten mit historisch hohen Abschlägen gehandelt und machen die grosse Unsicherheit deutlich. Dabei geht etwas vergessen, dass zahlreiche Immobilienfirmen für Anleger attraktive, zuverlässige und wachsende Erträge generieren können und die REITs solide Bilanzen aufweisen.
Hauptthema für die Anleger war dieses Jahr die Abwärtskorrektur des „Multiplikationsfaktors“ in den meisten Anlageklassen. Wie viel mehr soll für ein Unternehmen bezahlt werden oder welcher Diskontierungszinssatz ist der richtige, jetzt, da die Zinsen stark gestiegen sind? Dasselbe gilt für den Immobiliensektor, wo die Anleger in börsennotierte Unternehmen in Erwartung fallender Immobilienpreise ihre Aktien abgewertet haben. Nur wenige Sektoren dürften von diesem Effekt verschont bleiben, und die Sektoren, die in den letzten, von tiefen Immobilienrenditen geprägten Jahren am performancestärksten waren, reagieren theoretisch am stärksten auf steigende Zinsen. Wohnimmobilien haben unter dieser Entwicklung gelitten, da REIT-Investoren bereits einen deutlichen Zinsanstieg eingepreist haben. Viele Vermieter hochwertiger Wohnimmobilien werden zu impliziten Renditen von über 6% gehandelt.
Ausgehend davon sind wir der Ansicht, dass sich der Fokus an den Aktien- und Immobilienmärkten jetzt auf das Gewinnrisiko richten kann. Welche Marktsektoren werden die zyklischen Auswirkungen der Konjunkturabschwächung und des rückläufigen Interesses der Konsumenten am stärksten zu spüren bekommen? Wir gehen davon aus, dass die Wohn-REITs in diesem Umfeld relativ gut positioniert sind. Erfahrungsgemäss sind die Wohnungsbelegung und die Vermietungsquote während einer Rezession weniger zyklisch als Sektoren wie Büros oder Industrieimmobilien.
Die Wohnungsvermieter, in die wir investieren, weisen auch heute noch solide Fundamentaldaten mit hohen Belegungsraten und einer positiven Mietdynamik auf. Börsennotierte Vermieter von Wohnimmobilien sind daher im Allgemeinen gut positioniert, um Inflationssteigerungen an die Mieter weiterzugeben, da Mietverträge kurzfristig sind und die Mietpreise unter dem Gesichtspunkt der Bezahlbarkeit den historischen Werten entsprechen. Zudem werden viele Personen gezwungen sein, ihre Wohnung länger zu mieten als geplant, da der Erwerb von Wohneigentum durch die steigenden Hypotheken schwieriger wird.
Zudem hat sich gezeigt, dass Sektoren wie Studentenwohnungen, Einfamilienhäuser und Seniorenresidenzen alle von strukturellen Nachfragemotoren angetrieben werden, was dazu beitragen kann, die zyklischen Probleme zu verringern.
Laut Yardi Matrix – einem Anbieter von US-Wohnungsdaten – stiegen die Mieten bis September bei Mehrfamilienhäusern im Vorjahresvergleich landesweit um 9.4% und bei Einfamilienhäusern um 7.8%. Auch die Eigentümer von Fertighaussiedlungen verzeichneten einen mittleren bis hohen einstelligen Mietpreiswachstum im Jahresvergleich. Die folgende Tabelle zeigt das mit der Marktkapitalisierung gewichtete Wachstum der Dividenden pro Aktie im vergangenen Jahr:
Cap Weighted Dvd Per Share Growth | Cap Weighted Payout Ratio | |
---|---|---|
Multifamily | 6.58% | 75.48% |
Manufactured Housing | 8.06% | 56.54% |
Single-Family Rental | 46.02% | 41.91% |
Bei einer Ertragsprognose von 7% bis 8 % für 2023 (ein Grossteil der für 2023 prognostizierten Erträge wird wahrscheinlich mit 2022 abgeschlossenen 12-Monats-Mietverträgen und Bestandsmieten, die 5% bis 10 % unter dem Marktniveau liegen, erzielt werden) dürften die Dividenden nächstes Jahr ähnlich wachsen wie dieses Jahr. Im Übrigen liegen die Ausschüttungen von Einfamilienhaus-REITs unter dem Durchschnitt, was in den nächsten zwei bis drei Jahren zu überdurchschnittlichen Dividendenerhöhungen führen dürfte.
Die US-Wohn-REITs haben seit Jahresbeginn insgesamt rund 30% abgegeben (inkl. Dividenden), was wie erwähnt der allgemeinen Entwicklung des REIT-Markts entspricht. Der REIT-Markt bewertet die Kapitalisierungssätze bzw. Anfangsrenditen von Wohnimmobilien angesichts der steigenden Fremdkapitalkosten für Eigentümer neu. Zu Beginn des Jahres lagen die Kapitalisierungssätze noch bei 4%, steigen jetzt aber, da sich die Investment-Grade-Fremdkapitalisierungskosten von 3.0% auf 6.3% (am 19. Oktober 2022) erhöht haben. Obwohl die Wohnimmobilien auf der Grundlage fragilerer Kreditmarkt-Indikatoren neu bewertet werden, sind die Fundamentaldaten noch immer robust, mit rekordverdächtigen Belegungsraten von über 90%, einem soliden Verhältnis von Mieteinnahmen und Ertrag (20%) und einer niedrigen Arbeitslosenquote, die das Lohnwachstum im mittleren/hohen Bereich fördert.
Die Kurse der REIT-Aktien haben bereits eine deutliche Wertkorrektur eingepreist. Amerikanische Wohn-REITs werden mit Abschlägen gehandelt, die in den letzten 20 Jahren nur selten zu beobachten waren. Wie bereits erwähnt, sind die Bilanzen dieser Unternehmen in der Regel robuster als je zuvor, und die Zeichnungsbedingungen im gesamten Immobiliensektor (inkl. der zum Verkauf stehenden Wohnungen) haben sich seit der globalen Finanzkrise wesentlich verbessert. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Bewertungen zwar anpassen (wie dies bei den Aktienkursen der Fall ist) und dadurch ein Teil der seit 2020 anhaltenden Wachstums der Wohnungspreise verloren geht, rechnen aber nicht mit derselben Verschlechterung, die 2008/09 zu der bisher schärfsten Korrektur geführt hat.
Die europäischen Wohnungsvermieter gehörten in diesem Jahr zu den grössten Verlierern im Immobiliensektor. Die niedrigeren Immobilienrenditen nach Jahren mit tiefen oder negativen Zinsen und die im Vergleich zu den globalen Akteuren grössere Hebelwirkung haben sie anfällig gemacht. Zudem können die jährlichen Mieterhöhungen von rund 1% bis 2% auf einem stark regulierten Mietmarkt nicht mit der aktuell hohen Inflationsrate Schritt halten. Als Folge davon verlieren die Aktien an Wert und werden mit einem Abschlag von über 60 % gegenüber dem letzten Nettoinventarwert, einer Bewertung von weniger als dem Zehnfachen der Gewinne und mit Dividenden von über 7 % gehandelt.
Da die Nachfrage nach erschwinglichem Wohnraum das Angebot insbesondere in städtischen Gebieten weiterhin übersteigt, sind die den Erträgen zugrunde liegenden Fundamentaldaten weiterhin robust. Die durch den Ukraine-Konflikt verursachte Nettomigration von rund 1 Million Menschen und der anhaltenden Mangel an neuen Wohnungen, der durch die aktuelle Krise zusätzlich verschärft wird, dürften dafür sorgen, dass die Portfolios unserer Vermieter voll bleiben.
Bei den Aktien stellt sich daher eher die Frage, wie stark die Immobilienrenditen steigen werden, ob die Bilanzen in der Lage sind, das Wachstum zu verkraften und wie sich die höheren Finanzierungskosten auf die Unternehmensgewinne und Dividenden auswirken.
Wir gehen heute davon aus, dass die Immobilien zwar an Wert verlieren, die Tatsache, dass die Anfangswerte weniger als der Hälfte der Wiederbeschaffungskosten entsprechen und die Wohneinheiten weit über den Buchwert hinaus privatisiert werden können, jedoch für Antrieb sorgen. Natürlich wäre eine solche Situation nicht komfortabel, aber die Bilanzen verkraften Wertverluste von mehr als 20%. Entsprechend freuen wir uns, dass die meisten börsennotierten Vermieter versuchen, Vermögenswerte zu verkaufen, um die Hebelwirkung zu verringern. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das nicht ganz einfach, falls es aber gelingt, erweist sich diese Strategie als entscheidender Katalysator. Die negativen Auswirkungen der höheren Finanzierungskosten werden sich zwar allmählich auch bei den Dividenden bemerkbar machen, gleichzeitig wirken aber langfristige und überwiegend festverzinsliche Kredite unterstützend. Zudem wird das Mietwachstum die Auswirkungen mit der Zeit ebenfalls kompensieren.
Angesichts der aktuellen Aktienkurse der europäischen Wohn-REITs, bei denen offenbar selbst bei der Ausgabe von Ansprüchen mit einem Abschlag zu rechnen ist, sind wir überzeugt, dass langfristige Anlagen im Wohnimmobiliensektor attraktive Fundamentaldaten bieten.
Der börsennotierte Wohnimmobiliensektor hat dank günstigen demografischen Trends, einem knappen Wohnungsangebot auf den meisten Märkten (der Mangel wird sich in den kommenden Jahren vermutlich noch verschärfen) und dem Wunsch nach erschwinglichen und gut verwalteten Mietwohnungen attraktive langfristige Renditen generiert.
Als Folge der steigenden Hypotheken wird Wohneigentum teurer und obwohl die Verkaufspreise von Häusern im kommenden Jahr voraussichtlich auf vielen Märkten sinken, ist davon auszugehen, dass Mietwohnungen begehrter werden, insbesondere auch deshalb, weil die Mietkosten rund 40% unter den Kosten für Wohneigentum liegen. Die Belegungsraten dürften daher bei rund 90% bleiben. Da es sich bei Immobilien um eine bedarfsorientierte Anlageklasse handelt, dürfte sich der rezessionsbedingte Rückgang des Nettobetriebseinkommens (NOI) von Wohnungen in Grenzen halten (tiefer einstelliger Prozentsatz), während das NOI bei Eigentümern von Einfamilienhäusern und Fertighaussiedlungen erfahrungsgemäss eher stabil bleiben oder steigen wird. Fertighaus-REITs haben in ihrer fast 30-jährigen Geschichte noch kein einziges Jahr mit negativem NOI-Wachstum erlebt. Auch die Mieten für Einfamilienhäuser gingen bei früheren Konjunkturverlangsamungen gemäss den Ergebnissen der Volkszählung nicht zurück.
Viele Wohn-REITs lancieren zudem betriebliche Initiativen, um ihre NOI zu erhalten oder sogar zu steigen. Hierzu gehören unter anderem selbstgeführte Audio-Touren, mit denen die Unternehmen Personalkosten für Makler einsparen können. Viele REITs betreiben Immobilien in ihrer Nähe, sodass sie bei der Personalbesetzung für die Wartung flexibler sind. Darüber hinaus werden die Plattformen für das Ertragsmanagement der REITs immer effizienter (einige REITs verfügen sogar über ein „Surge-Pricing“-System für Wohnungen mit grosser Nachfrage), was im Vergleich zu den privat verwalteten Immobilien zu einer betrieblichen Verbesserung führen dürfte.
Angesichts des Umfangs des für opportunistische Immobilien (jüngste Fonds von Blackstone und Brookfield) aufgenommenen Kapitals wird das Interesse des privaten Markts an Wohnimmobilien voraussichtlich nicht abflauen. Wir gehen davon aus, dass die derzeitige implizite Bewertung vieler Wohn-REITs äusserst attraktiv wird, sobald sich die Kreditmärkte stabilisiert haben. Grund dafür ist insbesondere die Tatsache, dass das Cashflow-Wachstum bisher stets der Inflation entsprach oder diese sogar übertroffen hat.